Medizinwissen zu Fruchtbarkeit, Sterilisation und Refertilisierung

Anatomische Strukturen im Genitaltrakt des Mannes
Unentbehrlich für eine Schwangerschaft bzw. eine Vaterschaft sind Samenzellen (Spermien). Die Spermien enthalten Erbmaterial (die Chromosomen) des Mannes, genauer gesagt einen halben Chromosomensatz. Die Chromosomen der Samenzelle entscheiden über das spätere Geschlecht des Kindes.

Für die Befruchtung wird der halbe Chromosomensatz einer Samenzelle benötigt, denn eine weibliche Eizelle kann nur durch ein einziges Spermium befruchtet werden. Die Spermien werden in den Hoden (Testis) gebildet.

Die Frau bringt monatlich eine Eizelle zur Ausreifung und ihre Eizellen sind schon als Baby in den Eierstöcken angelegt. Dagegen werden die Samenzellen des Mannes in den Hoden ständig neu gebildet. Jede Samenzelle reift im Hoden mehrere Wochen heran. Bei jedem Samenerguss machen sich viele Millionen Spermien auf die Suche nach einer Eizelle. Angesichts der hohen Zahl an täglich neu produzierten Samenzellen ist es nicht verwunderlich, dass nicht alle Samenzellen voll befruchtungsfähig werden. Daher ist es auch für einen vollfruchtbaren Mann (fertiler Mann) normal, wenn nur jede fünfte Samenzelle eine vollendete Form besitzt und fortbewegungsfähig ist.

Der Hoden (Testis) erfüllt eine zweite, sehr wichtige Aufgabe, nämlich die Produktion des männlichen Geschlechtshormons Testosteron.

Der Hoden hat somit zwei Funktionen:

  • Bildung von Spermien, die beim Samenerguss (Ejakulation) erscheinen.
  • Produktion von Testosteron, welches ins Blut des Mannes abgegeben wird.

Anders als bei der Frau, deren Eierstöcke sich im Inneren ihres Körpers befinden, benötigen die Hoden für eine korrekte Funktion einen etwas kühleren Ort: Die Hoden haben eine „Betriebstemperatur“ von ca. 34 °C bis 35 °C und sind deshalb außerhalb der Leibeshöhle im Hodensack (Scrotum) untergebracht. Der Körper reguliert automatisch die Temperatur im Hodensack. Alle Männer wissen, dass sich der Hodensack bei Kälte stark zusammenzieht, die Hoden also näher an die 37 °C warme Leibeshöhle gebracht werden. Bei Wärme hingegen entspannt sich die Haut und die Muskulatur des Hodensacks, so dass die Hoden sich weiter von der warmen Leibeshöhle entfernen. Dies ist besonders deutlich erkennbar, wenn der Mann Fieber hat.

Das Hodengewebe selbst ist ein Gewirr von kleinen Kanälchen, in deren Wandungen die Samenzellen produziert werden. Durch die Kanälchen wandern die Samenzellen zur Hodenbasis (Rete testis) und werden dort in den Nebenhoden eingeschleust (Epididymis). Der Nebenhoden ist sehr viel kleiner als der Hoden und als fleischiger Strang am Hoden zu tasten. Im Nebenhoden laufen viele Kanälchen zu einem Nebenhodenkanal (Tubulus) zusammen, der stark aufgeschlängelt den eigentlichen Nebenhoden bildet. Der Nebenhodentubulus ist sehr zart und verletzlich; könnte man ihn auseinanderziehen, hätte der Nebenhodentubulus eine Länge von 4 bis 5 Metern.

Der Nebenhodentubulus hat zwei Funktionen: Zum einen werden hier Samenzellen gespeichert, zum anderen erlangen die Samenzellen während der Speicherphase im Nebenhoden ihre vollständige Beweglichkeit. Anders als der eher robuste Hoden ist der Nebenhoden relativ verletzlich. Viel häufiger als im Hoden kommt es im Nebenhoden zu Störungen und Entzündungen (Epididymitis). Folge kann sein, dass die Samenzellen nicht mehr vollständig ausreifen und keine volle Beweglichkeit erlangen. Bei starken Entzündungen oder Verletzungen kann der Nebenhodengang (Tubulus) sich durch Narbenbildung auch vollständig verschließen. Der Nebenhodengang (Tubulus) mündet in den Samenleiter (Vas deferens oder Ductus deferens). Nahe am Nebenhoden ist der Samenleiter zunächst noch zart und verläuft stark gewunden, nach 1 bis 2 cm jedoch verläuft der Samenleiter gerade und ist dann deutlich fester und kräftiger.

Der Samenleiter (Vas) verläuft vom Hoden in Richtung Körperhöhle gemeinsam mit den Blutgefäßen des Hodens. Dieser Strang ist von einer dünnen Hülle umschlossen (Samenstranghülle). In der Samenstranghülle verlaufen auch Muskelfasern (Kremastermuskel). Die Kremastermuskeln können durch Verkürzen oder Verlängern die Lage des Hodens im Hodensack verändern und regulieren so unter anderem die Temperatur im Hoden mit.

Der Samenstrang (Funiculus) ist meist etwa so dick wie der kleine Finger des Mannes. In diesem „Kabelstrang“ lässt sich der Samenleiter gut tasten: Während die Muskelanteile, die Samenstranghüllen und die Gefäße eher weich sind, fühlt sich der Samenleiter deutlich fester an. Der Samenleiter hat einen Durchmesser von 2 bis 5 mm. Dies entspricht in etwa der Stärke einer Kugelschreibermine oder der Stärke einer „Ader“ eines dreiadrigen Elektrokabels.Der Samenstrang, das heißt die Hodenblutgefäße und der Samenleiter umhüllt von den Samenstranghüllen, verläuft vom Hoden aufwärts in die Leistenregion. Durch die Muskelschichten des Bauches / der Leiste verläuft der Samenstrang leicht diagonal hindurch. Diesen Kanal nennt man Leistenkanal. Die innere Abdichtung des Leistenkanals zur Eingeweidehöhle des Bauches heißt innerer Leistenring.

Leistenbruch (Hernia inguinalis) bedeutet, dass die Abdichtung des Eingeweideraumes des Bauches zum Leistenkanal hin beschädigt ist. Beim Leistenbruch bricht also kein Knochen, sondern die innere Abdichtung des Leistenkanals. Ist diese Abdichtung nicht mehr vollständig, kann unter Umständen Darm bis in den Leistenkanal und sogar bis in den Hodensack rutschen. Gefährlich wird es, wenn dabei der den Stuhlgang transportierende Darm abgeklemmt wird. Ein sogenannter akuter eingeklemmter Leistenbruch ist ein sehr gefährlicher, manchmal lebensbedrohlicher Notfall und wird mit einer sofortigen Notoperation behandelt. Natürlich führt nicht jeder Leistenbruch zu einer Einklemmung, aber es ist sinnvoll, einen Leistenbruch zu beseitigen, damit es nicht zu einer Einklemmung kommen kann. Am inneren Leistenring, also in der Eingeweidehöhle, trennen sich der Verlauf des Samenleiters (Vas) und Verlauf der Blutgefäße des Hodens. Der Samenleiter verläuft tief nach unten ins Becken und mündet zusammen mit den dort befindlichen Samenbläschen in die Prostata.

Die Prostata ist normalerweise so groß wie eine Walnuss und befindet sich am Ausgang der Blase beziehungsweise am Anfang der Harnröhre. Von außen betrachtet findet sich die Prostata in der Dammregion (unter der Haut zwischen Hodensack und After, beim Radfahren zum Beispiel stützt der vordere Teil des Sattels die Dammregion). Aufgabe der Prostata und der Samenbläschen ist es, den allergrößten Teil der Samenflüssigkeit zu bilden. Beim Samenerguss (Ejakulation) erscheinen meist mehrere Milliliter Ejakulat, aber nur eine geringe Menge davon sind die Samenzellen selbst. Der größte Teil ist die Samenbläschen- und Prostataflüssigkeit, in der die Samenzellen schwimmen und aus der sie sich für einige Zeit ernähren. Wird der Samenleiter verschlossen, zum Beispiel bei einer Sterilisation, verringert sich die Menge des Ejakulates kaum.

Die Samenzellen nehmen nach ihrer Entstehung im Hoden also einen langen Weg: Durch die Basis des Hodens (Rete testis) in den Nebenhoden und dort in den Nebenhodenkanal (Tubulus). Der Nebenhodenkanal ist einige Meter lang. Auch der Samenleiter selbst ist relativ lang, vom Nebenhoden bis zum inneren Leistenring ca. 15 cm, dann noch einmal 10 bis 15 cm vom inneren Leistenring bis zur Mündung des Samenleiters in der Prostataregion.

Für Operationen am Samenleiter (Sterilisation, Refertilisierungsoperation) ist der Samenleiter im Verlauf vom Nebenhoden bis zum inneren Leistenring für den Operateur relativ gut erreichbar, am einfachsten in seinem gut tastbaren Verlauf im Samenstrang, knapp oberhalb des Hodens.


Drei wichtige medizinische Wortendungen

1. -ektomie  wie in Vasektomie
Wenn ein Operateur oder Chirurg etwas durchschneidet, so wird in der medizinischen Fachsprache hierfür das Wortteil -tomie verwendet (vom griech. tom = Schnitt). Wird etwas herausgeschnitten, so setzt man vor dem -tomie noch die Silbe -ek- (vom griech. ek = aus, heraus). Zusammengesetzt ergeben -ek und -tomie dann die Wortendung-ektomie. Das Durchtrennen des Samenleiters beziehungsweise Herausschneiden eines kleinen Teiles des Samenleiters (Vas) mit dem Ziel der Sterilisation, nennt man also Vas-ektomie. Damit lassen sich viele weitere chirurgische Fachbegriffe verstehen. Die Entfernung des Blinddarmes (Appendix) heißt daher Append-ektomie.

2. -stomie  wie in Vasovasostomie (VVS) und Tubulovasostomie (TVS)
Wenn ein Operateur oder Chirurg eine Einmündung oder eine Öffnung herstellt, so wird dies gekennzeichnet durch das Wortteil -stomie. Wenn nach einer Sterilisation (Vasektomie) die Samenleiterenden (Vas- und Vas) wieder miteinander verbunden werden, so heißt dieses Vasovaso-stomie, wenn eine Verbindung zwischen dem Nebenhodenkanal (Tubulus) und dem Samenleiter (Vas) hergestellt wird, so heißt dieses Tubulovaso-stomie.

3. -itis  wie in Epididymitis
Eine Entzündung wird gekennzeichnet durch das Wortteil -itis. Gehört haben Sie vielleicht schon den Begriff für die Entzündung des Magens (Gaster), sie heißt Gastritis. Die Entzündung des Blinddarmes (Appendix, siehe oben) heißt Appendizitis. Ist die Prostata entzündet, nennt man dieses Prostatitis. Ist der Nebenhoden (Epididymis) entzündet, so heißt dies Epididymitis. Damit verstehen Sie schon einen großen Teil der medizinischen Fachwörter.

Ihr gutes Recht auf verständliche Kommunikation
Nach dieser kleinen Einführung in die medizinische Terminologie sehen Sie, dass es gar nicht so schwierig ist, die Mediziner zu verstehen. Leider hat es sich historisch so entwickelt, dass in der medizinischen Fachsprache hauptsächlich lateinische und griechische Wörter verwendet werden. Das macht es dem Laien manchmal schwierig, Arztbriefe zu lesen oder Artikel zu verstehen. Sehr vorteilhaft daran ist jedoch, dass diese lateinischen und griechischen Wörter im gesamten Gebiet der westlichen Medizin verbreitet sind und verwendet werden. Für fast alle medizinischen Fachbegriffe gibt es jedoch auch gut verständliche deutsche Worte. Wenn Sie also trotz dieser Einführung in die Ärztesprache Probleme haben, Teile dieses Buches, eines Arztbriefes oder eines Beratungsgespräches bei Ihrem Arzt zu verstehen, so sollten Sie auf jeden Fall nachfragen.