Fragen zur Erfolgsrate nach 16 Jahren

Rund um Refertilisierung

Moderatoren:Dr. Petsch, Admin

Antworten
Emma
Beiträge:2
Registriert:Fr 3. Apr 2015, 15:58
Fragen zur Erfolgsrate nach 16 Jahren

Beitrag von Emma »

Sehr geehrter Herr Dr. Petsch,

ich habe einige Fragen bezüglich der Erfolgschancen einer Refertilisierung nach 16 Jahren. Da uns bisher bereits zwei Ärzte (ein Urologe und ein Arzt in einer Kinderwunschklinik) sagten, dass eine Refertilisierung nach so langer Zeit unabhängig vom Alter der Frau selten funktionieren würde und man es wortwörtlich „besser vergessen sollte“ noch ein Kind zu bekommen, sind mein Partner und ich etwas desillusioniert. Der Arzt gab sogar einer künstlichen Befruchtung keine großen Chancen in dem Fall.
Da Sie bessere Erfolgsraten prognostizieren, habe ich einige Fragen dazu:

- Wie kann es sein, dass gleich zwei Ärzte solch vernichtende Urteile fällen? Auf welcher Informationslage begründen diese ihre Aussagen Ihrer Meinung nach?

- Wie kommt Ihre Statistik zu Stande und was genau bedeutet "positives Spermiogramm"? Wieso ist die Schwangerschaftsrate um ein Drittel geringer als die Wahrscheinlichkeit eines positiven Spermiogramms? Sind in der Statistik nur Paare enthalten, bei denen eine Fruchtbarkeit der Frau im Vorhinein schon feststeht oder bedingt diese „unbekannte Variable“ die geringere Schwangerschaftsrate?

- Steigt die Wahrscheinlichkeit nach der OP noch ein Kind zu zeugen durch gewisse persönliche Faktoren des Paares, wie z.B. lebenslange gesundheitsbewusste Lebensweise des Mannes, Alter der Frau (Anfang 30) und bereits durch Schwangerschaft bewiesene Fruchtbarkeit etc.?

- Gibt es unterschiedliche Formen von Vasektomien? Es könnte ja sein, dass die Technik vor 15 Jahren anders war als heute und dass es auch eine Rolle dafür spielt, ob die Rückgängigmachung praktisch gesehen klappt. In unserem Fall wurde ein Stück Samenleiter entfernt und beide Enden „umgebogen“.

Ich habe viel im Internet recherchiert und dabei ist mir aufgefallen, dass es sehr viele unterschiedliche Aussagen zum Thema gibt. Amerikanische Studien behaupten sogar, dass es praktisch gar keine Rolle mehr spiele, wie lange die Vasektomie zurückliege. Doch sinkt die Wahrscheinlichkeit auf eine Schwangerschaft in jeder Statistik diesbezüglich nach 15 Jahren stark. Was sind die biologischen/medizinischen Gründe dafür?

Ich danke Ihnen im Voraus für Ihre Antwort,
Emma K.
Dr. Petsch
Beiträge:57
Registriert:Di 29. Jul 2014, 07:09

Re: Fragen zur Erfolgsrate nach 16 Jahren

Beitrag von Dr. Petsch »

Guten Tag Emma
vielen Dank für Ihren Beitrag und interessanten Fragen.
Ich werde Ihre Fragen der Reihenfolge nach beantworten:
1. tatsächlich sind die Informationen über die Erfolgsaussichten einer Refertilisierungs Operation (auch genannt Vasovasostomie) sehr unterschiedlich. Insgesamt jedoch kann man sagen, dass die Erfolgsaussichten der Vasovasostomie (vor allem auch im Vergleich zur Alternative der künstlichen Befruchtung) günstig sind und besser, als die meisten Patienten und auch Ärzte vermuten. Bei der Vasovasostomie kommt es insbesondere darauf an, dass die Operation von einem geübten Mikrochirurgen durchgeführt wird. Die Ergebnisse der Vasovasostomie bei Durchführung in einem spezialisierten Zentrum sind eigentlich durchgängig gut und weisen, vor allen Dingen in den ersten Jahren nach der Vasektomie, Prognosen von 80-90 % für einen Spermiennachweis auf. Auch bei langer und sehr langer Vasektomie Dauer lässt sich durch die dann häufiger durchzuführende Tubulovasotomie noch meist ein gutes Ergebnis erzielen, ich selber habe eine Menge Patienten auch mit Vasektomie Zeiten von über 20 Jahren operiert und in vielen Fällen wieder ein positives Spermiogramm erreichen können. Insgesamt kann man sagen, dass je länger die Vasektomie zurückliegt, desto häufiger ist eine Tubulovasotomie notwendig, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Die letztendliche Schwangerschaftsrate und damit auch Babyrate hängt natürlich insbesondere auch von der Partnerin ab bzw. von der Fruchtbarkeit der Partnerin. Es ist ja allgemein bekannt, dass Frauen über 40, auch wenn der Partner nicht vasektomiert und refertilisiert wurde, eine geringere Schwangerschaftsrate haben als jüngere Frauen. Insbesondere wenn, wie bei Ihnen, die Partnerin erst Anfang 30 ist, lässt sich meist leichter eine Schwangerschaft erzielen, auch wenn die Spermiogramm Werte des Partners nach der Refertilisierung etwas eingeschränkt sind.
Nun zu der Frage, warum viele niedergelassene Urologen die Chancen einer Refertilisierungs-Operation als unzutreffend niedrig einschätzen. Die meisten Urologen sind nicht sehr häufig mit dem Thema Refertilisierung befasst. Ich schätze, dass ein durchschnittlicher niedergelassener Urologe nur ca. ein bis zweimal pro Jahr nach einer Refertilisierung gefragt wird. Vielen Kollegen und Kolleginnen sind die Mikrochirurgie Spezialisten dann auch nicht direkt bekannt, und sie schicken ihre Patienten möglicherweise in Krankenhäuser, in denen Refertilisierungs-Operationen und Mikrochirurgie nur gelegentlich ausgeführt werden. Bei Gelegenheit Operateuren sind die Ergebnisse dann natürlich auch deutlich schlechter, sodass sich bei niedergelassenen Urologen oft der Eindruck verfestigt, die Erfolgsaussichten einer Vasovasostomie seien niedrig. Ich selber habe im Laufe der letzten Jahre selbst fast 2000 Männer operiert und eine lange Liste von Urologiepraxen in ganz Deutschland, die bereits Patienten nach einer Operation bei mir nach betreut haben. Wenn Sie möchten, kann ich in meiner Liste gerne nachsehen, ob sich eine dieser Nachbetreuungs-Praxen auch in Ihrer Nähe befindet.
2. positives Spermiogramm bedeutet zunächst einmal, dass nach einer Vasovasostomie oder Tubulovasotomie wieder Samenzellen im Sperma auftauchen. Nicht wenige Patienten haben nach einer Refertilisierung eine verminderte Anzahl und verminderte Beweglichkeit der Samenzellen (OAT-Syndrom). In den meisten Fällen werden die Partnerinnen trotzdem schwanger. Allerdings gibt es auch Patienten, die trotz positiven Spermiogramm bei ihrer Partnerin keine Schwangerschaft erzielen können. Hier spielt natürlich auch die Fruchtbarkeit der Partnerin eine Rolle.
3. natürlich steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft und ein Baby an, wenn die Fruchtbarkeit der Partnerin günstig ist. Günstig wäre zum Beispiel junges Lebensalter, bereits zurückliegende Schwangerschaften oder Geburten oder vielleicht sogar bereits ein gemeinsames Kind. Es ist anzunehmen, dass Gesundheit und gesunde Lebensführung einen positiven Einfluss auf die Fruchtbarkeit des Mannes haben, nach meinen Aufzeichnungen jedoch hat zum Beispiel das Rauchverhalten oder das Vorhandensein von Allergien keinen Einfluss auf das OP Ergebnis. Ebenso hat offenbar das Alter des Mannes praktisch keinen Einfluss auf das OP Ergebnis.
4. solange die Vasektomie über Öffnungen am Hodensack durchgeführt wurde, spielt es keine große Rolle, welche Vasektomie Technik der vor Operateur angewandt hat. Alle OP Techniken hier zu erklären, würde den Rahmen der Antwort und des Forums sprengen, ich werde aber in nächster Zeit die unterschiedlichen Vasektomie Techniken auf der Website http://www.androdoc.de erklären. Es ist üblich, dass ein Stück Samenleiter entfernt wurde und dass die Samenleiterenden "umgeklappt" wurden. Dies beschreibt die normale Vasektomie Technik und eine solche Sterilisation lässt sich fast immer gut reparieren. Auch bei einer Vasektomie in der Leiste, zum Beispiel im Rahmen einer Leistenbruchoperation, lässt sich meist noch Refertilisierung. Voraussetzung ist natürlich, dass es möglich ist, die Samenleiterenden darzustellen und spannungsfrei aneinander zu fügen.
Anders verhält es sich wenn die Vasektomie im Rahmen einer laparaskopischen Leistenbruchoperation, also im Bauchraum, durchgeführt wurde. In diesen Fällen ist es nicht möglich, nachträglich die Samenleiterenden wieder zu präparieren und zusammenzufügen, bei diesem Patienten hilft dann nur eine künstliche Befruchtung.
5. welche Studien aus Amerika hier sie genau meinen, weiß ich natürlich nicht. Tatsächlich ist es so, dass ein Mikrochirurgie Spezialist auch nach sehr langer Vasektomie Dauer zum Beispiel durch die Durchführung einer Tubulovasotomie eine erfolgreiche Refertilisierung durchführen kann. Mein 'Spitzenreiter' zum Beispiel hatte eine Vasektomie Dauer von 30 Jahren und hat nach einer bei mir erfolgreich durchgeführten Rückgängigmachung der Vasektomie mit seiner 40 Jahre alten Partnerin drei Kinder bekommen.

Bitte entschuldigen Sie, dass die Antwort doch jetzt umfangreich geworden ist. Trotzdem gäbe es noch vieles zu Ihren Fragen zu sagen, ich habe auch viele weitere Details auf der Website http://WWW.Androdoc.de hinterlegt.

Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung
mit besten Grüßen
Ihr
Martin Petsch
Dr.med. Martin Petsch
Spezialist für
Andrologie - Mikrochirurgie - Urologie
Louise Dumont Strasse 1
40211 Düsseldorf
dr.petsch@androdoc.de
Tel. 0211-4379115
Fax 03212-1464381
Mobil 01520-1859607
http://www.androdoc.de
Emma
Beiträge:2
Registriert:Fr 3. Apr 2015, 15:58

Re: Fragen zur Erfolgsrate nach 16 Jahren

Beitrag von Emma »

Sehr geehrter Herr Dr. Petsch,

ich danke Ihnen sehr für die ausführliche Antwort auf meine Fragen. Es ist schön zu hören, dass die Chancen auf eine erneute Zeugungsfähigkeit trotz Vasektomie scheinbar viel besser stehen als viele Ärzte behaupten. Trotzdem finde ich es schade, dass Urologen solche Aussagen treffen, ohne sich ausführlich mit dem Thema beschäftigt zu haben. Zum Glück sind wir auf Sie, Herr Dr. Petsch, gestoßen!

Einer der Urologen begründete seine schlechten Erfolgsaussichten übrigens mit den Antikörpern, die der Körper mit den Jahren gegen die eigenen Spermien produzieren würde. Könnten Sie mir noch verraten, was es damit auf sich hat?

Vielen Dank,
Emma K.
Dr. Petsch
Beiträge:57
Registriert:Di 29. Jul 2014, 07:09

Re: Fragen zur Erfolgsrate nach 16 Jahren

Beitrag von Dr. Petsch »

Guten Tag Emma
vielen Dank auch für diese erneute interessante Frage.
Zum Thema an die Spermienantikörper (Anti-Spermien-Antikörper = ASA) bekomme ich häufiger Anfragen.
Grundsätzlich ist es so, dass aufgrund einer Barrierefunktion spezieller Zellen im Hoden verhindert wird, dass das Immunsystem mit den Spermien in Kontakt kommt. Seltsamerweise bilden aber manche Patienten trotzdem Antikörper gegen ihre eigenen Samenzellen. Die Ursache hierfür ist rätselhaft, denn es betrifft auch gar nicht selten Patienten, die sich noch nie einer Operation unterzogen haben. Ob es also tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Vasektomie / Refertilisierung und Anti Spermien Antikörpern gibt oder nicht, ist ebenso unklar - eben da man auch immer wieder Patienten mit Anti Spermienantikörpern findet, die sich noch nie haben operieren lassen.
Bei Patienten, die Anti Spermien Antikörper haben, kommt es beim Samenerguss zu Verklebungen von Samenzellen, die Samenzellen können sich dann nicht normal vorwärts bewegen und auch nicht in eine Eizelle eindringen. Es gibt einen Test auf Anti Spermien Antikörper - dieser heißt MAR Test. Man untersucht dabei einen Samenerguss mit Samenzellen und misst nach, ob sich auf den Spermien Antikörper befinden oder nicht. Es ist also leider vor einer Refertilisierung nicht möglich, den Patienten auf Anti Spermien Antikörper zu untersuchen, sondern man benötigt einen Samenerguss Samenzellen - die gibt es dann ja erst nach der Hilfe. Anti Spermien Antikörper im Blut zu messen macht keinen Sinn - dies ist zwar täglich, man kann auch Anti Spermien Antikörper bei einer Frau nachmessen (auch hier ergeben sich manchmal positive Werte), die dabei gemessenen Ergebnisse geben aber keine Auskunft über die spätere Fruchtbarkeit.
Im Internet liest man häufiger von Anti Spermienantikörpern nach einer Refertilisierung - nach meiner Erfahrung sind ASA aber nur sehr selten ein Problem nach einer erfolgreichen Refertilisierung. Ich glaube hier ist die Literatur etwas irreführend. Es gibt meines Wissens keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass eine Vasektomie oder eine Refertilisierung das Risiko für Anti Spermien Antikörper erhöht.
Ich hoffe ich habe Ihre Frage damit beantwortet.
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit besten Grüßen von
Martin Petsch
Dr.med. Martin Petsch
Spezialist für
Andrologie - Mikrochirurgie - Urologie
Louise Dumont Strasse 1
40211 Düsseldorf
dr.petsch@androdoc.de
Tel. 0211-4379115
Fax 03212-1464381
Mobil 01520-1859607
http://www.androdoc.de
Arco
Beiträge:2
Registriert:So 26. Apr 2015, 19:36

Re: Fragen zur Erfolgsrate nach 16 Jahren

Beitrag von Arco »

Hallo Emma,

bei mir selbst lag die Vasektomie bereits 14 Jahre zurück. Sie wurde 1999 vorgenommen. Am 17.5.2013 würde ich von Dr. Petschaft operiert. Praktisch beim ersten ernsthaften Versuch danach hat es mit der Schwangerschaft bereits geklappt und wir sind am 11.11.2014 Eltern geworden.
Beim Eingriff war ich 43, meine Frau 31 Jahre alt. Ich habe ähnliche Bedenken von anderen Ärzten gehört.

Beim ersten Gespräch mit dem Urologen, der hier die Nachsorge gemacht hat, meinte er, dass wir uns keine all zu großen Hoffnungen machen sollten. Das war schlagartig erledigt, als er den Laborbefund in Händen hielt.
"Vergessen Sie, was ich eben gesagt habe. Das ist ein für ihr Alter hervorragender Befund!"

Ich denke mal, zwischen 14 und 16 Jahren dürfte kein all zu großer Unterschied sein.
Arco
Beiträge:2
Registriert:So 26. Apr 2015, 19:36

Re: Fragen zur Erfolgsrate nach 16 Jahren

Beitrag von Arco »

Autokorrektur hat wieder zugeschlagen. Sollte natürlich Dr. Petsch heißen. Nicht Petschaft.
Dr. Petsch
Beiträge:57
Registriert:Di 29. Jul 2014, 07:09

Re: Fragen zur Erfolgsrate nach 16 Jahren

Beitrag von Dr. Petsch »

Hallo guten Tag Arco,
danke für Ihren Beitrag, der sicherlich vielen anderen Mut macht.
Tatsächlich kommen zu mir häufig Patienten die ihre #Vasektomie_rückgängig_machen wollen, und bei denen die Sterilisation schon über 10 Jahre oder 15 Jahre zurückliegt. In den allermeisten Fällen kann ich auch bei langer und sehr langer Sterilisationdauer es so reparieren dass wieder Spermien im Samenerguß auftauchen und damit eine normale Schwangerschaft möglich ist - je länger die Sterilisationsdauer desto häufiger ist es notwendig, eine sog. Tubulovasostomie durchzuführen.
Der Spitzenreiter bisher war ein Patient mit einer Steridauer von 30 Jahren (!!!) - Refertilisierung erfolgreich - er hat mit seiner Partnerin 2 Kinder bekommen - das Bild von allen 4 hängt hier in meiner 'Babygalerie' im Wartezimmer.....
Beste Grüsse von
Martin Petsch
Dr.med. Martin Petsch
Spezialist für
Andrologie - Mikrochirurgie - Urologie
Louise Dumont Strasse 1
40211 Düsseldorf
dr.petsch@androdoc.de
Tel. 0211-4379115
Fax 03212-1464381
Mobil 01520-1859607
http://www.androdoc.de
Antworten